Am 19. März 2025 erging ein bedeutendes Urteil des 10. Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG), das Handlungsbedarf für Unternehmen mit virtuellen Mitarbeiterbeteiligungen (VSOPs) begründet. Das BAG entschied, dass Klauseln, nach denen bereits gevestete virtuelle Optionen (VSOPs) bei Eigenkündigung des Arbeitnehmers sofort verfallen, eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB darstellen. Gleiches gilt für Klauseln, die einen doppelt so schnellen Verfall gevesteter Optionen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorsehen.
Sachverhalt
Der Kläger war vom 1. April 2018 bis zum 31. August 2020 bei der Beklagten beschäftigt. Im Jahr 2019 erhielt er ein Angebot über 23 virtuelle Optionsrechte, basierend auf den Bestimmungen eines Employee Stock Option Plans (ESOP). Die Optionen wurden über eine vierjährige Vesting-Periode gestaffelt zugeteilt, wobei während einer Freistellung die Vesting-Periode ausgesetzt wurde. Nach Nr. 4.2 des ESOP sollten bereits gevestete, aber noch nicht ausgeübte Optionen bei Eigenkündigung verfallen, und gemäß Nr. 4.5 sollten gevestete Optionen sukzessive innerhalb von zwei Jahren nach Beendigung verfallen, sofern sie nicht ausgeübt wurden.
Beim Ausscheiden des Klägers waren 31,25% seiner Optionen gevestet. Die Beklagte verweigerte den Anspruch auf Ausübung der Optionen mit der Begründung, diese seien verfallen. Sie argumentierte, dass die VSOPs eine Verdienstchance zur Belohnung der Betriebstreue darstellten, jedoch keinen bereits erworbenen Lohnanspruch lieferten.
BAG-Entscheidung: Schutz gevesteter Optionen
Das BAG hob die frühere Rechtsprechung, nach der gevestete Optionen bei Eigenkündigung sofort verfallen, ausdrücklich auf. Es sah die Verfallsklauseln als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) gemäß § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB, die der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB unterliegen. Die Gerichtsrichter entschieden, dass diese Klauseln den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen, da bereits gevestete Optionen als Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistung zu werten sind. Das Aussetzen der Vesting-Periode während einer Freistellung führte her und bekräftigt den Vergütungscharakter.
Darüber hinaus stellte das BAG heraus, dass der sofortige Verfall nicht nur die Leistung des Arbeitnehmers missachtet, sondern auch eine unverhältnismäßige Beschwerung der Kündigung darstellt. Eine Klausel, die einen doppelt so schnellen Verfall vorsieht wie den Aufbau der Optionen, berücksichtigt die geleistete Arbeitszeit nicht ausreichend und ist deshalb ebenfalls unwirksam.
Konsequenzen für Arbeitgeber und VSOP-Programme
Mit dem Urteil stärkt das BAG den Schutz der Arbeitnehmer deutlich. Arbeitgeber können sich künftig nicht mehr auf Verfallsklauseln stützen, die gevestete Optionen mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder durch unangemessen kurze Fristen entwerten. Die erworbenen Rechte gelten als Vergütung und dürfen nicht willkürlich entzogen werden.
Bestehende VSOP-Programme sollten umgehend überprüft und angepasst werden, um rechtskonform zu sein. Für bereits ausgeschiedene Mitarbeiter, deren Optionen zuvor als verfallen galten, kann dies Nachforderungen zur Folge haben, sofern Ansprüche nicht verjährt sind.
Für die künftig Gestaltung von VSOP-Modellen empfiehlt das BAG alternative Bindungsmechanismen: Etwa längere Ausübungsfristen für ausgeschiedene Mitarbeiter oder faire Rückkaufangebote zur Abfindung der verdienten Rechte. Das Ziel muss ein ausgewogenes Spannungsfeld zwischen den Interessen des Unternehmens und den berechtigten Erwartungen der Mitarbeiter sein.
Ein vollständiger Verlust der Optionen durch eine bloße Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Rücksicht auf die erbrachte Leistung ist nicht mehr tragbar. Ein Verfall bleibt nur zulässig, wenn der frühere Arbeitseinsatz keinen Einfluss mehr auf einen späteren Exit-Erlös haben kann. Das BAG macht keine exakten Zeitangaben, weist aber auf die besondere Natur von Vorbereitungsphasen bei Börsengängen hin, deren Wirkung auch zeitlich verzögert eintreten kann.
Herzlichen Dank an unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin Theresa Trinder für die wertvolle Mitarbeit an diesem Blogbeitrag.