Bei der Aufstellung des Jahresabschlusses rückt zunehmend ein Abschnitt in den Fokus juristischer Auseinandersetzungen: der Lagebericht. Fehlerhafte oder unvollständige Angaben können erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Dies wird am aktuellen Fall BayWa deutlich, zunächst leitete die BaFin eine Anlassprüfung aufgrund konkreter Anhaltspunkte für mögliche Verstöße gegen Rechnungslegungsvorschriften ein, jetzt ermittelt die Münchener Staatsanwaltschaft. Dieser Beitrag beleuchtet, welche Anforderungen an die Erstellung des Lageberichts bestehen, wo typische Fehlerquellen liegen, und welche rechtlichen Konsequenzen drohen.
Anforderungen an den Lagebericht
Zusätzlich zum Jahresabschluss müssen die gesetzlichen Vertreter einer Kapitalgesellschaft gemäß § 264 Abs. 1 S. 1 HGB einen Lagebericht aufstellen. Die Anforderungen an den Lagebericht werden im Wesentlichen in § 289 HGB (bzw. für den Konzernlagebericht in § 315 HGB) erläutert. Der Lagebericht muss so ausgestaltet sein, dass er ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vom Geschäftsverlauf, dem Geschäftsergebnis und der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens vermittelt. Er muss eine ausgewogene und umfassende Analyse enthalten, die dem Umfang und der Komplexität der Geschäftstätigkeit des Unternehmens entspricht, unter Einbeziehung der bedeutsamsten finanziellen Leistungsindikatoren. Darüber hinaus ist auch die voraussichtliche Entwicklung des Unternehmens mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken zu erläutern und darzustellen. Zu den zu erwähnenden Risiken können unter anderem Liquiditätsrisiken, Konjunkturschwankungen, neue Wettbewerber am Markt und schwankende Rohstoffpreise gehören. Sofern es für die Beurteilung der Lage von Belang ist, ist außerdem auf die Risikomanagementziele und -methoden der Gesellschaft und die finanziellen Risiken jeweils in Bezug auf die Verwendung von Finanzinstrumenten durch die Gesellschaft einzugehen. Der Lagebericht enthält außerdem Informationen zum Bereich Forschung und Entwicklung sowie zu bestehenden Zweigniederlassungen. Bei großen Kapitalgesellschaften sind auch nichtfinanzielle Leistungsindikatoren wie Umwelt- und Arbeitnehmerbelange darzustellen, sofern sie für das Verständnis der Unternehmenslage relevant sind. Für kapitalmarktorientierte Unternehmen ist darüber hinaus eine Beschreibung der wesentlichen Merkmale des internen Kontroll- und Risikomanagementsystems im Hinblick auf den Rechnungslegungsprozess erforderlich. Die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft, die als Inlandsemittent Wertpapiere begibt, müssen zudem einen sogenannten Bilanzeid abgeben. Der Bilanzeid ist eine schriftliche Erklärung, die versichert, dass der Lagebericht nach bestem Wissen und nach den tatsächlichen Verhältnissen der Gesellschaft erstellt wurde.
Typische Fehlerquellen im Lagebericht
Fehler im Lagebericht können insbesondere in folgenden Bereichen auftreten:
- Unvollständige Risikoberichterstattung: Wesentliche Risiken werden nicht oder nur unzureichend aufgeführt. Bestimmte Entwicklungen werden nicht oder nicht vollständig aufgeführt oder zu vage beschrieben.
- Unrealistische oder unklare Prognosen: Prognosen zur künftigen Geschäftsentwicklung sind zu optimistisch, zu vage oder basieren nicht auf nachvollziehbaren Annahmen. Gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten ist es jedoch essenziell, die Erwartungen realistisch und mit belastbaren Daten zu untermauern.
- Verharmlosung existierender Probleme: Problemfelder wie drohende Liquiditätsengpässe, laufende Rechtsstreitigkeiten oder negative Entwicklungen im Marktumfeld werden nur am Rande erwähnt oder gar nicht angesprochen.
- Fehlende Aktualisierung bei veränderten Umständen: Die Ersteller des Lageberichts greifen typischerweise auf Textbausteine z.B. aus dem Vorjahresbericht zurück, ohne diese an aktuelle Entwicklungen anzupassen. Dadurch werden neue Risiken oder Chancen nicht abgebildet, während veraltete Informationen im Bericht verbleiben.
- Widersprüche zum Jahresabschluss: Ein besonders kritischer Punkt sind Inkonsistenzen zwischen Lagebericht und Jahresabschluss, etwa bei finanziellen Kennzahlen, Prognosen oder der Darstellung von Risiken. Treten solche Widersprüche auf, so werfen sie regelmäßig Fragen zur Verlässlichkeit der gesamten Berichterstattung auf.
Meist liegt das Problem nicht in absichtlichen Falschangaben, sondern in einem fehlenden Risikobewusstsein oder mangelhaften internen Kontrollmechanismen.
Rechtliche Konsequenzen bei fehlerhafter Darstellung
Die fehlerhafte Darstellung im Lagebericht, also der Verstoß gegen die Inhaltsanforderungen des § 289 HGB, stellt gemäß § 334 Abs. 1 Nr. 3 HGB (bzw. für Konzerne § 334 Abs. 1 Nr. 4 HGB) eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Bußgeld gemäß § 335 HGB geahndet wird. Erforderlich ist Vorsatz des Vorstandes, wobei Eventualvorsatz genügt. Zuständig für das Bußgeldverfahren ist die Bundesaufsicht für Finanzleistung (BaFin).
Fehler im Lagebericht können auch strafrechtliche Konsequenzen haben. Der zentrale Straftatbestand, der bei einer unrichtigen Darstellung von Verhältnissen einer Kapitalgesellschaft im Lagebericht gegen den Vorstand im Raum steht, ist der Tatbestand der Bilanzfälschung gemäß § 331 Abs. 1 Nr. 1 HGB. Von diesem erfasst werden sowohl die unrichtige Darstellung als auch die Verschleierung von Tatsachen in der Rechnungslegung. Typische Fallgruppen sind etwa die Überbewertung von Vermögenswerten, der Ansatz fiktiver Aktivposten, die Nichtberücksichtigung von Schulden, aber auch die Unterbewertung ist strafbewährt. In beiden Fällen ist erforderlich, dass die Verletzung erheblich ist, das heißt, die Aussagekraft des Abschlusses oder Lageberichts muss insgesamt beeinträchtigt sein. Strafbar ist ein solches Verhalten nur bei Vorsatz; fahrlässige Falschangaben sind dagegen nicht strafbewährt. Sofern einem fehlerhaften Lagebericht ein Bilanzeid beigefügt ist, kann sich eine strafrechtliche Haftung der unterzeichnenden Vorstände auch aus § 331a HGB ergeben. Dieser stellt unter anderem die unrichtige Versicherung der Vorstände, dass der Lagebericht den Geschäftsverlauf, die Geschäftsergebnisse und die Lage der Kapitalgesellschaft richtig darstellt, unter Strafe. Erforderlich für die Verwirklichung des Straftatbestandes ist Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit.
Hinzu kommen erhebliche zivilrechtliche Risiken. Sollte der Gesellschaft wegen Verstoßes gegen den oben erwähnten § 289 HGB (bzw. § 315 HGB) ein Schaden entstanden sein, ist auch an einen Schadensersatzanspruch aus § 93 Abs. 2 AktG gegen die Vorstände zu denken, diese haben aber die Möglichkeit sich zu exkulpieren, wenn sie den in § 93 Abs. 1 S. 1 AktG umschriebenen Sorgfaltsstandards gerecht geworden sind. Zudem können auch den Gläubigern und Aktionären Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung zustehen. Denn da der oben erwähnte Straftatbestand des § 331 HGB ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist, kann sich ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 331 HGB ergeben. Hierfür ist ein Kausalitätsnachweis erforderlich, beispielsweise müssen die unzutreffenden Angaben im Lagebericht mitursächlich für die Anlageentscheidung gewesen sein.
Die Straftat der unrichtigen Darstellung gemäß § 331 HGB erfüllt auch regelmäßig die Voraussetzungen eines Falles des § 256 AktG, sodass der Jahresabschluss ggfs. nichtig sein kann.
Fazit
Fehlerhafte oder unvollständige Angaben im Lagebericht können schwerwiegende Folgen nach sich ziehen: Von Bußgeldern über zivilrechtliche Schadensersatzansprüche bis hin zur strafrechtlichen Verfolgung. Kapitalgesellschaften sollten die Erstellung des Lageberichts nicht als reine Pflichtübung behandeln, sondern als rechtsrelevanten Bericht mit hoher Außenwirkung. Eine sorgfältige Dokumentation, regelmäßige Aktualisierung von Risikoberichten, die Einbindung der Compliance-Abteilung und eine enge Abstimmung mit dem Abschlussprüfer sind essenziell. Insbesondere Vorstände sollten sich ihrer persönlichen Haftungsrisiken bewusst sein und durch funktionierende interne Kontrollsysteme sowie juristische Begleitung vorbeugen.